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Vollmundige Shorts: “Christine’s Bollinger Shorts”

         31.3.2005

Nicolai Richter

ChristinesShorts-Trade-1

Die dicke rote Linie ist das obere Bollinger-Band. Einstieg bei der tieferen
 Eröffnung, und der Exit nach 3 Tagen bringt einen schönen Profit!

“Your key to making  profits on the short-side, just like the pros!”

Die Idee liegt nahe: Bollinger-Bänder werden oft als Maß der Über- oder Unterbewertung genutzt, schließlich sagt die Statistik ja, daß der Preis in den allermeisten Fällen zur Mitte zurückkehrt. Schmerzliche erinnert sich sicherlich jeder aktive Trade daran, wie eine erfolgreiche Langfristposition an das obere Band heranlief, umdrehte, und lange nicht mehr so hoch gesehen ward.

Warum also nicht davon profitieren und am oberen Band short gehen? Weil es danach oft weitergeht, denn oft werden Bollinger-Bänder auch als Ausbruchs-Indikator genutzt. Bei einfacher Betrachtung kann man leicht auf die Idee kommen, daß es funktioniert, wenn der Kurs erste Schwäche zeigt.

Genau so sieht konsequenterweise die Entry-Regel der amerikanischen “Educational Trading Firm” aus:
1) Schlußkurs über dem oberen Bollinger-Band
2) Schlußkurs am oberen Rand einer Candlestick-Kerze mit möglichst viel Körper
2) Tiefere Eröffnung am nächsten Tag

Der Exit erfährt leider eine etwas obskurere Behandlung, denn es wird ein Stop von 1/8 über dem Hoch des Einstiegstages empfohlen, und dann “irgendeine Art” von Trailing Stop und nach 2-3 Tagen ein Zeitstopp.
 

ChristinesShorts-Trade-2

Etwas weniger Glück ist dem eifrigen Seminarkäufer hier beschieden: Der Stop oberhalt
des Vortageshochs bewahrt ihn vor schlimmeren Verlusten


ChristinesShorts-ProfitDistribution

Offenbar werden sehr viele Trades am Stop-Loss beendet:
Sehr viele kleine Verluste dominieren die Profit-Verteilung

ChristinesShorts-EquityCurve

So macht Shorten keinen Spaß:
Nur im starken Kursverfall in 2000 wurde Geld verdient.

Die Rahmenbedingungen des Tests

Zeitrahmen: März 1999 bis März 2005
Balkenlänge: 1 Tag
Aktien: Aktuelle (März 2005) Mitglieder des Nasdaq-100 Index
Money Management: 14% Kapital pro Position (max. 7 Positionen)
Gebühren: 0.1% pro Trade (Roundturn)

Entry-Signal
- Schluß über 20 Tage, 2 StdDev Bollinger-Band
- Vortagesschluß unter dem Band des Vortages
- Schluß eine halbe Tagesrange oder mehr über der Eröffnung
- Wenn Eröffnung am Folgetag mindestens eine
  Viertel Tagesrange unter dem Schlusskurs, dann short
 

Exit-Signal
- Stop 1/10 ATR über dem Hoch des Tags vor dem Einstieg
- Gewinnziel von 2 ATRs
- Zeitstopp nach 3 Tagen

 

Ergebnisse

Offenbar reicht gutes Marketing aus, um Seminare zu verkaufen - in den Ergebnissen dieses Systems zumindest kann der Erfolg dieses Unternehmens nicht begründet liegen.
Immerhin: Der durschnittliche Gewinntrade liegt mit 5.4% deutlich über dem typischen Verlierer mit -3.6%. Allerdings gibt es deren auch wesentlich mehr: Über 2/3 der Trades enden im Verlust.
Zu gute halten muß man dem System, daß der Index im Vergleichszeitraum auch tendenziell nach oben lief, so daß es schwer ist, auf der Shortseite Gewinne zu machen.

Aber Moment mal - wie lautete noch der vollmundige Slogan?
 

Anmerkungen:

Ohne den Stop-Loss oberhalb des Vortageshochs sieht die Performance über die ersten Jahre des Testzeitraums besser aus. Nicht so gut, allerdings, daß es für einen Ertrag oberhalb der Nulllinie reicht. Daß “irgendein Trailing Stop” an den Ergebnissen insgesamt etwas ändern kann, daran darf nach der doch recht klaren Tendenz der links gezeigten Ergebnisse gezweifelt werden. Eine Sharpe-Ratio von -0.75 ist schon eindrucksvoll schlecht ;-).

Fazit:

Bollinger-Bänder eignen sich offenbar nicht, um profitable Short-Einstiege zu finden. Der Autor dieser Zeilen hat von ihnen als Kontraindikator noch nie viel gehalten - gerade bei Breakout-freundlichen Konsolidierungen ziehen sich die Bänder stark zusammen, wodurch sie deutlich an Aussagekraft verlieren.

Offenbar gilt es auch auf etablierte Namen mit einem gesunden Maß an Mißtrauen zuzugehen, wenn es um deren Fähigkeiten zum finden des heiligen Grals geht..


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